Sei es in Folge eines Autounfalls, eine falsche Bewegung oder nur durch ein falsches Wort: manchmal sind es Bruchteile von Sekunden, wenige Zentimeter oder eine einzige falsche Entscheidung im falscher Augenblick und nichts ist mehr wie zuvor. Jederzeit kann sich etwas Schlimmes ereignen, für das wir uns verantwortlich fühlen, sei es berechtigt oder nicht. Niemand ist davor gefeit, durch sein Handeln, unbeabsichtigt schuldig zu werden, indem er Dritten Schaden zufügt. Das Risiko gehört zum menschlichen Leben. Wen es trifft, der trägt schwer an der Last der Selbstvorwürfe, nicht jeder wird allein damit fertig.
Wirkung von Schuldgefühlen
Dabei quält uns nicht nur unser eigenes Gewissen. Wir fürchten darüber hinaus, vor unseren Mitmenschen als Übeltäter dazustehen. Da wir als soziale Wesen auf die Anerkennung der Gemeinschaft angewiesen sind, macht uns die Sorge, ausgeschlossen zu werden, zusätzlich zu schaffen. Menschen, die starken Schuldgefühlen ausgesetzt sind, leiden unter Scham und bohrenden Selbstzweifeln. Ihre Gedanken kreisen immer wieder um den Vorgang. Sie machen sich Selbstvorwürfe, empfinden Reue und den Wunsch, das Ganze ungeschehen bzw. wieder gut zu machen.
Sinn von Schuldgefühlen
Obwohl dies quälende Gefühle sind, haben Schuldgefühle eine wichtige Funktion: Denn die Betroffenen können auf diese Weise aus ihren Irrtümern für die Zukunft lernen. Auch gesellschaftlich machen Schuldgefühle einen Sinn, weil sie dem Einzelnen helfen, soziale Normen einzuhalten.
Verarbeitung von Schuldgefühlen
Voraussetzung dafür ist, dass wir unsere Schuldgefühle annehmen und verarbeiten. Dabei spielt Wiedergutmachung eine wichtige Rolle. Wer die negativen Folgen seines Handelns ausräumen kann, fühlt sich entlaststet. Auch Bestrafung kann hilfreich sein. Die Vorstellung durch Sühne eine Schuld abzugelten, existiert fast in allen Kulturen.
Doch in vielen Fällen ist eine Wiedergutmachung nicht möglich und eine Bestrafung nicht vorgesehen. In diesen Fällen müssen Betroffene ihre Schuldgefühle ohne diese Entlastungsmöglichkeiten individuell verarbeiten. Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Schuld ist ein wichtiger Teil des Schulderlebens. Der Prozess ist erst abgeschlossen, wenn man es schafft, das Vorgefallene und die eigene Rolle, das eigene Versagen, zu akzeptieren, das eigene Verhalten anzunehmen und die Situation neu zu bewerten.
Umgang mit Schuldgefühlen
Betroffene müssen lernen, das eigene Verhalten von der eigenen Person zu trennen. Wichtig ist, zu erkennen, dass niemals eine Aktion allein, sondern eine unheilvolle Verknüpfung von verschiedenen Faktoren das Ereignis herbeigeführt haben. Wir müssen akzeptieren, dass Ereignisse immer nur zum Teil unserer Kontrolle unterliegen und dass menschliches Handeln ohne Fehlerrisiko nicht möglich ist.
Wie wir mit seelischer Schuld umgehen, ist abhängig von der Persönlichkeit des Einzelnen. So leiden emphatische Menschen eher unter Schuldgefühlen als Egozentriker. Auch Menschen mit einem hohem Kontrollbedürfnis und Perfektionsanspruch tun sich mit der Verarbeitung von Schuldgefühlen besonders schwer. In jedem Fall ist die Bewältigung von Schuldgefühlen ein schweres Stück Seelenarbeit, das die Betroffenen viel Kraft kostet. Wir müssen lernen, unser Schuldgefühl zu akzeptieren. Am Ende steht dann die Erkenntnis, dass unser Leben sehr fragil ist und dass auch unsere Fehler Bestandteil unseres Lebens sind. Wer das verinnerlicht, kann milder mit der eigenen Schuld umgehen.
5 konkrete Tipps zum Umgang mit Schuldgefühlen
Jemanden ins Vertrauen ziehen.
Das Gespräch mit Dritten kann manchmal hilfreich sein, um sich aus scheinbar aussichtslosen Gedankenkreisläufen zu befreien.
Gedanken-Stopp einsetzen und „Grübelzeit“ festlegen
Wer immer wieder ins Grübeln verfällt, sollte sich mit einem lauten „Stopp“ unterbrechen und sich stattdessen selbst festgelegte „Grübelzeiten“ einräumen.
Bußverhalten bestimmen:
Wenn Sie den Eindruck haben, dass Buße Ihnen hilft, suchen Sie sich ein konkretes Verhalten aus, und werden Sie aktiv, z.B. eine ehrenamtliche Tätigkeit oder eine Spende.
Vorwürfe durch Bedauern ersetzen
Bedauern Sie Ihr Handeln im konkreten Einzelfall, aber verurteilen Sie sich nicht als Mensch. Der Mensch darf Fehler machen.
Wechseln Sie die Rolle
Was würden Sie einem anderen Menschen sagen, wenn er in Ihrer Situation wäre, und Sie um Rat fragen würde
Weitere konkrete Anregungen zum Umgang mit Schuldgefühlen, in: Wenn Schuldgefühle zur Qual werden, von Doris Wolf, erschienen im Pal-Verlag 2016, Preis 14,80 Euro